Eine Bemessung des Grundpreises rein nach dem Maßstab, dass jedes Wohngrundstück den gleichen Grundpreis zu zahlen hat, ist zulässig.
Ein Wasserversorgungsunternehmen, dem in seinem Verbandsgebiet die Pflicht zur öffentlichen Wasserversorgung übertragen ist und das dabei die einem Benutzungszwang unterliegenden Anschlussnehmer auf privatrechtlicher Grundlage versorgt, kann bei seiner Tarifgestaltung für die Lieferung von Trinkwasser neben verbrauchsabhängigen Entgelten zugleich verbrauchsunabhängige Grundpreise in Ansatz bringen. Es ist auch nicht unbillig im Sinne von § 315 BGB, wenn die für Wohngrundstücke vorgesehenen Grundpreise ohne weitere Differenzierung lediglich auf die Anzahl der Wohneinheiten abstellen und Wohnungsleerstände unberücksichtigt lassen.
BGH, Urteil vom 20.05.2015 – VIII ZR 164/14 1. Der beklagte Wasserversorger ist ein öffentlich-rechtlicher Verband, dem die Pflicht zur öffentlichen Wasserversorgung in seinem Verbandsgebiet übertragen ist. Innerhalb dieses Gebietes besteht ein Anschluss‑ und Benutzungszwang, wobei die Versorgung der Anschlussnehmer auf privatrechtlicher Grundlage nach Maßgabe der AVBWasserV erfolgt. Die Klägerin ist Eigentümerin von Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 340 Wohneinheiten, welche deutlich unterschiedlichen Größen aufweisen. Die dem Versorgungsverhältnis zugrunde gelegten Tarife sehen für jede Wohneinheit einen einheitlichen Grundpreis vor, ohne nach der jeweiligen Größe der Wohnungen oder der Anzahl der Bewohner zu differenzieren. Mit dem Grundpreis deckt der Wasserversorger im Mittel 59% seiner bei der Trinkwasserversorgung im Verbandsgebiet anfallenden Fixkosten ab.
2. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Rückzahlung nur unter Vorbehalt bezahlten Grundgebühren sowie die Feststellung, dass der Wasserversorger nicht berechtigt sei, für die Bereitstellung von Trinkwasser undifferenzierte verbrauchsunabhängige Grundgebühren zu verlangen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Wasserversorger zur Zahlung eines Teilbetrages verurteilt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Mit ihrer von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren hinsichtlich der restlichen Klageforderung weiter, während der Wasserversorger mit seiner Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt. Die Revision des Wasserversorgers hatte Erfolg; die Revision der Klägerin war dagegen unbegründet. Der Bundesgerichtshof hat somit im Ergebnis die Klage vollständig abgewiesen.
3. Das Berufungsgericht war der Auffassung, nur eine Grundpreisdifferenzierung nach Wohnungsgröße stelle sicher, dass das Jahresentgelt für Wohnungen bis zu 50 qm im Vergleich zu größeren Wohnungen der Billigkeit entspreche. Maßstab für die Billigkeitsprüfung seien in Anlehnung an das öffentliche Recht die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Äquivalenz, das Kostendeckungsprinzip sowie das Willkürverbot. Dem Wasserversorger sei zwar als sachgerecht zuzugestehen, im Mittel 59% seiner Fixkosten in den verbrauchsunabhängigen Grundpreis zu nehmen, dies erfordere aber eine über die bloße Wohnungsanzahl hinausgehende Differenzierung innerhalb des Grundpreises nach der Wohnungsgröße, um für kleinere Wohnungen auf eine entsprechend geringere Personenzahl unbillige Kosten durch einen verbrauchsunabhängigen Fixkostenanteil von circa 80 % am Gesamtpreis zu vermeiden. Die fehlende Differenzierung führe in einer mit einer Person belegten Wohnung zu durchschnittlichen Jahreswasserkosten je Person in einer Größenordnung von etwa 200 €, bei zwei Personen von etwa 120 € und bei vier Personen von knapp 90 €. Dies widerspreche sowohl dem Gleichheitsgrundsatz als auch dem Äquivalenzprinzip.
4. Der Bundesgerichtshof folgte dem nicht. Die Frage, in welcher Weise der Wasserversorger verbrauchsunabhängige Kosten in seine Kalkulation einfließen lasse und ob sie über den Arbeitspreis, über den Grundpreis oder im Wege einer Mischkalkulation erwirtschaftet werden, obliege grundsätzlich seiner freien unternehmerischen Entscheidung. Ob die Preisbestimmung in einem Massengeschäft wie der Energie‑ und Wasserversorgung der Billigkeit entspricht, sei durch eine Abwägung der typischen Interessen der Vertragspartner wie auch der übrigen Anschlussnehmer sowie eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks zu bestimmen. Zu diesen grundlegenden Prinzipien gehörten insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung. Mit der Grundgebühr würden die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten wie z.B. Abschreibungsbeträge und Zinsen ganz oder teilweise abgegolten. Sie werde deshalb nicht nach dem Maß der Benutzung, sondern nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen, der sich an Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Leistung zu orientieren pflege.
Von diesem Zweck ausgehend seinen Wohnungsleerstände unbeachtlich. Die Gebühr für die Vorhalteleistung sei darauf angelegt, eine Leistung abzugelten, welche auch Wohneinheiten erbracht werde, die leer stehen und in denen kein Wasser verbraucht werde. Die Eigentümer von leerstehenden Wohnungen partizipierten in gleichem Maße wie diejenigen bewohnter Räume an der Vorhalteleistung. Der Leerstand habe auf die durch den Anschluss der Wohnungen verursachten Vorhaltekosten keine Auswirkungen.
Vergleichen mit anderen Wasserversorgungsgebieten erteilt der Bundegerichtshof bereits im Ansatz eine Absage. Es komme vielmehr nach dem maßgeblichen Kostendeckungsprinzip auf die jeweils konkreten, insbesondere die örtlichen Gegebenheiten an, die etwa durch die Siedlungsdichte und die Länge der Leitungswege geprägt seien.
Die von dem Wasserversorger allein nach der Zahl der Wohneinheiten vorgenommene Bemessung des Grundpreises für die Versorgung mit Trinkwasser könne ebenfalls nicht als unbillig beanstandet werden. Insbesondere gebiete weder der Gleichheitssatz weitere Differenzierungen nach der Wohnungsgröße noch verstoße der gewählte Bemessungsansatz gegen das Äquivalenzprinzip. Die Erhebung des Grundpreises für jede Wohneinheit ohne weitere Differenzierung nach deren Größe überschreitete die Ermessensgrenzen eines Wasserversorgers grundsätzlich nicht. Der von ihm gewählte Maßstab erfasse vielmehr in sachlich einleuchtender Weise das Maß des den Anschlussnehmern gewährten Vorteils sowie der durch die Vorhalteleistung verursachten Kosten. Anders als das Berufungsgericht meint, sei ein Wasserversorger aus Gründen der Billigkeit somit nicht verpflichtet, einen Maßstab zu wählen, der zusätzlich nach der Größe der jeweiligen Wohneinheiten differenziert und diese in Größenklassen dahin unterteilt, dass jedenfalls bei kleinen Wohnungen mit einer Größe von bis zu 50 qm nur ein Bruchteil des vollen Grundpreises, hier zwei Drittel, in Ansatz gebracht werden dürfen. Auch auf die tatsächliche Anzahl der jeweiligen Bewohner je Wohnung könne es nicht ankommen. Dass dies bei Massengeschäften der in Rede stehenden Art keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Bemessung des Grundpreises bilden könne, liege allein schon mit Blick auf den dafür erforderlichen Ermittlungs- und Verarbeitungsaufwand auf der Hand. Ebenso wenig besitze die Größe der jeweiligen Wohneinheiten keine hinreichende Aussagekraft über die Anzahl ihrer Bewohner und einer daraus ableitbaren Höchstlast für die vorzuhaltende Trinkwassermenge. Denn es bestehe kein verlässlich feststellbares Verhältnis zwischen der Größe einer Wohneinheit und der aus unterschiedlichsten Gründen variierenden Anzahl ihrer Bewohner. Dementsprechend sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Berufungsgericht die Grenze gerade bei einer Wohnungsgröße von 50 qm gezogen und weitere Größendifferenzierungen abgelehnt habe.
5. Der Entscheidung ist zuzustimmen. Der Trend geht gerade in der Wasserversorgung dahin, die in der Praxis oft deutlich zu niedrigen Grundgebühren eher anzuheben. Vorliegend wurden immerhin 59% der Fixkosten durch die Grundgebühr abgedeckt. Viele Wasserversorger liegen noch deutlich unterhalb dieses Wertes. Durch das in Deutschland völlig überflüssige Wassersparen spielen die Fixkosten eine immer größere Rolle. Indirekt werden auch die Abwasserentsorger belastet, welche nicht mehr die einst berechneten Durchflussmengen in ihren Abwasserrohen vorfinden. Sowohl ökonomisch wie unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und der Äquivalenz ist es somit gerechtfertigt, wenigstens näherungsweise die Fixkosten über den Grundpreis zu amortisieren. Es steht zu erwarten, dass dieser Gesichtspunkt auch bei der Elektrizität eine zunehmende Rolle spielen wird. Für Entnahmen ohne Leistungsmessung mittels Lastgangmessung im Niederspannungsnetz müssen nach § 17 Abs. 6 StromNEV Grundpreis und Arbeitspreis in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu stehen. Im Zeichen zunehmender Eigenversorgung wird sich diese Angemessenheit auch hier zunehmend in die Richtung des Grundpreises verschieben.