Dem Versorgungsunternehmen verbleibt nach § 11 NAV, § 11 NDAV ein Auswahlermessen hinsichtlich der Wahl der Berechnungsmethode für die Baukostenzuschüsse. Das vom Verband der Netzbetreiber VDN e.V. beim VDEW empfohlene »Zwei-Ebenen-BKZ-Modell« kann eine geeignete Grundlage für die Berechnung der für den Anschluss an das Niederspannungs- oder Niederdrucknetz zu zahlenden Baukostenzuschüsse bilden. Die Geeignetheit dieses Modells hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, deren Würdigung in erster Linie dem Tatrichter obliegt.
Das Transparenzgebot des § 17 Abs. 1 EnWG gilt im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 EnWG und der ihn ausfüllenden Verordnungen nur insoweit, als es mit dem Inhalt der vorrangigen Sondervorschrift des § 18 EnWG nicht in Widerspruch steht.
Sachverhalt und VerfahrensgangFür Strom- und Gasnetzanschlüsse des klagenden Anschlussnehmers erhob der beklagte Verteilnetzbetreiber nach Pauschalen berechnete Baukostenzuschüsse. Die Berechnung pauschalen Baukostenzuschüsse erfolgte auf der Grundlage des vom
VDN empfohlenen
»Zwei-Ebenen-BKZ-Modells«.
Der Anschlussnehmer zahlte den verlangten Betrag nur unter dem Vorbehalt »der Prüfung und Rechtmäßigkeit« und fordert diese im vorliegenden Verfahren zurück. Er zieht die Billigkeit der Baukostenzuschüsse in Zweifel und verlangt eine Offenlegung der Kalkulation des Netzbetreibers. Außerdem stellt er die Geeignetheit des vom Netzbetreiber verwendeten VDN-Berechnungsmodells in Frage. Das Landgericht hatte die Zahlungsklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.
Energiewirtschaftlicher HintergrundNach § 17 Abs. 1 EnWG haben Netzbetreiber u.a. Letztverbraucher zu Bedingungen an ihr Netz anzuschließen, die u.a. »angemessen, diskriminierungsfrei, transparent« sind. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 EnWG haben »abweichend von § 17« örtliche Verteilnetzbetreiber allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss durch Letztverbraucher in Niederspannung oder Niederdruck und für die Anschlussnutzung durch Letztverbraucher zu veröffentlichen sowie zu diesen Bedingungen jedermann an ihre Energieversorgungsnetze anzuschließen und die Nutzung des Anschlusses zur Entnahme von Energie zu gestatten. Nach der Gesetzesbegründung [28] wurden damit gegenüber § 17 »erhöhte Transparenzpflichten« normiert, wobei sich dies ersichtlich darauf bezieht, dass im Unterschied zu § 17 EnWG hier allgemeine Bedingungen von vornherein zu veröffentlichen sind, was bei § 17 EnWG nicht der Fall ist. § 18 Abs. 3 EnWG ermächtigt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die Allgemeinen Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung bei den an das Niederspannungs- oder Niederdrucknetz angeschlossenen Letztverbrauchern angemessen festzusetzen. Hiervon hat die Bundesregierung durch Erlass der Niederspannungsanschlussverordnung und der Niederdruckanschlussverordnung Gebrauch gemacht. In der Begründung zu § 18 EnWG hat der Gesetzgeber ausgeführt: »Die Rechtsverordnungen im Bereich der allgemeinen Anschlusspflicht sollen im Interesse eines erhöhten Kundenschutzes und angesichts der Besonderheiten des sogenannten Massenkundengeschäfts weitgehend abschließenden Charakter haben und die Geschäftsbedingungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern an das Niederspannungs- und Niederdrucknetz umfassend regeln.« [29]NAV und NDAV bestimmen jeweils in § 11 Abs. 1, dass der Netzbetreiber vom Anschlussnehmer einen angemessenen Baukostenzuschuss zur teilweisen Deckung der bei wirtschaftlich effizienter Betriebsführung notwendigen Kosten für die Erstellung oder Verstärkung der örtlichen Verteileranlagen verlangen kann, soweit sich diese Anlagen ganz oder teilweise dem Versorgungsbereich zuordnen lassen, in dem der Anschluss erfolgt. Der Baukostenzuschuss darf höchstens 50% dieser Kosten abdecken. Bei Strom darf der Baukostenzuschuss nur für den Teil der Leistungsanforderung erhoben werden, der 30 Kilowatt übersteigt (§ 11 Abs. 3 NAV). Jeweils nach § 11 Abs. 2 Satz 3 NAV bzw. NDAV kann der Baukostenzuschuss auf der Grundlage der durchschnittlich für vergleichbare Fälle entstehenden Kosten pauschal berechnet werden. Ähnliche Regelungen enthielten bereits § 9 AVBEltV bzw. AVBGasV, jedoch ohne ausdrückliche Erlaubnis zur Pauschalierung, allerdings mit der Möglichkeit, 70% der Kosten umzulegen.
Das VDN-Zwei-Ebenen-BKZ-Modell vom 19.4.2007 <⇓> basiert auf dem Ansatz, dass Netzinfrastrukturkosten des Netzbereichs, in dem sich der Netzanschluss befindet, verursachungsgerecht auf alle Netzanschlüsse umgelegt werden. Im Gegensatz zu früheren Kalkulationsansätzen basiert dieses Modell nicht mehr auf örtlich begrenzten Versorgungsbereichen. Vielmehr wird hier - analog zur Entgeltregulierung - der Netzbereich des Netzbetreibers als solcher gleichzeitig als Versorgungsbereich im Sinne von NAV und NDAV definiert. Damit werden Kosten nicht mehr kleinflächigen Netzstrukturen zugeordnet, sondern gehen im Rahmen der Kalkulation eines Netzbereichs in die Gesamtkosten ein. Aus der Sicht der Anschlussnehmer führe dies, so die Begründung des VDN [30] , zu transparenteren und homogeneren Baukostenzuschüssen. Die Bundesnetzagentur bevorzugt hiervon abweichend für Netzebenen oberhalb der Niederspannung ein sog. Leistungspreismodell. [31]EntscheidungsgründeDer BGH stellt zunächst fest, die Regelungen in § 11 NAV/NDAV ermächtigten den Netzbetreiber, vom Anschlussnehmer einen, auf der Grundlage der durchschnittlich für vergleichbare Fälle entstehenden Kosten pauschal berechneten, Baukostenzuschuss zu verlangen. Damit werde dem Netzbetreiber ein, an bestimmte Vorgaben geknüpftes, einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt, das der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliege. Hiervon ging auch der Verordnungsgeber aus. [32] Aus dogmatischen Gründen ist einer direkten Anwendung des § 315 BGB allerdings zu widersprechen, weil regelmäßig, so auch im entschiedenen Fall, [33] ein Vertrag geschlossen wird, welcher, auch bezüglich des Baukostenzuschusses einen konkreten Preis für die Errichtung des Netzanschlusses beinhaltet. Im entschiedenen Fall hat der Anschlussnehmer dann allerdings die Zahlung nur »unter dem Vorbehalt ›der Prüfung und Rechtmäßigkeit‹« geleistet. Ob auch der Vertrag unter Vorbehalt geschlossen wurde, lässt sich den gerichtlichen Feststellungen nicht entnehmen. Im Übrigen läge dann wohl, mangels Einigung über den Preis, ein offener Dissens (§ 154 BGB) vor - und der Netzbetreiber könnte den Baukostenzuschuss für den gleichwohl gebauten Netzanschluss nur unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten (§ 818 Abs. 2 BGB) bekommen. Dogmatisch richtig wäre im vorliegenden Fall, § 315 BGB nicht direkt anzuwenden, wie es der BGH ersichtlich getan hat, sondern entsprechend und in Anwendung der überkommenen Rechtsprechung zur zivilgerichtlichen Kontrolle von Tarifen von Unternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist. [34] Ohne Zweifel hat der Netzbetreiber für die Errichtung eines Netzanschlusses ein Monopol in diesem Sinne. Im Ergebnis ist es also richtig, § 313 Abs. 3 BGB, wenn auch nur entsprechend, auch auf die Bemessung von Baukostenzuschüssen anzuwenden. Man wird diesen Gedanken auch auf die »bei wirtschaftlich effizienter Betriebsführung notwendigen Kosten« für die Herstellung des Netzanschlusses (§ 9 Abs. 1 NAV/NDAV) zu übertragen haben, zumal dann, wenn der Netzbetreiber von der dortigen Pauschalierungsmöglichkeit Gebrauch macht.
Revisionsrechtlich ist der BGH darauf beschränkt, zu prüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensentscheidung versperrt hat. [35] Derartige Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht, so der BGH, vorliegend nicht unterlaufen.
§ 11 NAV, § 11 NDAV schrieben, so der BGH, nicht vor, welche Berechnungsweise anzuwenden und mit welchem Wert die Betriebsmittel des Netzbetreibers in eine solche Berechnung einzufließen hätten. Dem Netzbetreiber bleibe damit ein Auswahlermessen. Die Entscheidung des Netzbetreibers für eine bestimmte Methode sei nur darauf überprüfbar, ob sie sich im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens hält. Diese Prüfung obliege in erster Linie dem Tatrichter und hänge im Wesentlichen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Revisionsrechtlich sei nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Beklagte nicht für verpflichtet gehalten habe, das von der Bundesnetzagentur bei Netzanschlüssen oberhalb der Niederspannungsebene bevorzugte Leistungspreismodell anzuwenden. Der in § 11 NAV und § 11 NADV erwähnten Effizienzmaßstab solle zwar das Interesse des Anschlussnehmers an kostengünstigen Lösungen unterstreichen, dies bedeute aber nicht, dass die Wahl der Berechnungsweise allein am Interesse des betroffenen Anschlussnehmers auszurichten wäre, mit möglichst geringen Netzanschlusskosten belastet zu werden. Diesem Interesse werde bereits durch Absenkung des Höchstsatzes für Baukostenzuschüsse von 70% auf 50% Rechnung getragen. Die Möglichkeit, Baukostenzuschüsse in signifikanter Höhe zu erheben, diene im Übrigen dazu, Anschlussnehmer anzuhalten, Netzanschlüsse nur entsprechend dem tatsächlichen Leistungsbedarf zu beantragen. Dies zeige, dass Netzbetreiber bei der Festsetzung der Baukostenzuschüsse keineswegs allein die Interessen des jeweiligen Anschlussnehmers zu beachten hätten und sie somit bei der Bemessung solcher Zuschüsse einen gewissen Spielraum besäßen.
Der Hinweis auf deutlich niedrigere Baukostenzuschüsse anderer Netzbetreiber sei nicht geeignet, die Annahme zu begründen, beim beklagten Netzbetreiber seien auch Kosten eingerechnet worden, die bei wirtschaftlich effizienter Betriebsführung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 NAV) nicht angefallen wären.
Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, die Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen der Beklagten zu fordern. Auch bestehe keine Pflicht des Netzbetreibers die Kosten der Betriebsmittel in allen Einzelpositionen aufzuschlüsseln.
Dass das VDN-Zwei-Ebenen-BKZ-Modell nicht auf örtlich begrenzten Versorgungsbereichen basiere, sondern das gesamte Verteilnetz als Versorgungsbereich definiere, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Wahl eines größeren Versorgungsgebiets könne zu homogeneren Baukostenzuschüssen führen, die die in § 11 Abs. 2 Satz 2 NAV/NADV verlangte Durchmischung fördern und schließlich Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden. Die Wahl eines größeren Versorgungsbereichs müsse sich also keineswegs immer zum Nachteil des Anschlussnehmers auswirken. Berücksichtigt werden müsse auch die aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ersichtliche moderate Anzahl [36] der zu versorgenden Kunden.
Somit ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Versorgungsbereich im Streitfall zu weit gezogen und der Kläger hierdurch mit erheblichen Zusatzkosten belastet worden sei. Schließlich liege in der Anwendung des VDN-Zwei-Ebenen-BKZ-Modells auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 17 Abs. 1 EnWG. [37] Da § 11 NAV/NDAV für die Bemessung der Baukostenzuschüsse die Berücksichtigung zahlreicher Parameter vorsehe, könne gegen die Verwendung einer Berechnungsmethode, die diese Parameter nachvollziehe und ausfülle, nicht schon per se eingewandt werden, sie verstoße gegen das Transparenzgebot. Mit dem von ihm eingesetzten Berechnungsmodell sei der Netzbetreiber unter Verwendung ausdifferenzierter, in einer veröffentlichten Handempfehlung des VDN eingehend erläuterter Kriterien den vom Verordnungsgeber vorgegebenen Anforderungen an die Berechnung der Baukostenzuschüsse nachgekommen.
Kritik und FazitDer Entscheidung ist zuzustimmen. § 315 Abs. 3 BGB ist in entsprechender Anwendung auch auf Baukostenzuschüsse - und auf pauschalierte Hausanschlusskosten (welche aber nicht Gegenstand der besprochenen Entscheidung waren) - anzuwenden. Für Baukostenzuschüsse ist das VDN-Zwei-Ebenen- BKZ-Modell eine taugliche Grundlage. Der Netzbetreiber muss zwar nicht in allen Einzelheiten seine Kalkulation offenlegen, ist aber verpflichtet, die Kriterien der Ausübung seines billigen, durch energiewirtschaftsrechtliche Vorschriften ggf. modifizierten, Ermessens im Prozess dem Tatrichter darzulegen und unter Beweis zu stellen, wobei sich als Beweismittel ein Mitarbeiter des Unternehmens als sachverständige Zeuge und/oder ein Sachverständigengutachten anbieten. Hier kann als Praxistipp nur wiederholt werden, worauf der Autor in Bezug auf § 315 BGB in seinen Veröffenlichungen schon mehrfach hingewiesen hatte: Alle Überlegungen zur Preisbestimmung sind sorgfältig zu dokumentieren damit ggf. auch noch Jahre später nachvollziehbar dargelegt und unter Beweis gestellt werden kann, welche konkreten Parameter die Grundlage für die Preisbestimmung waren und nach welchen Kriterien diese letztlich erfolgte.