Die §§ 40, 41 Abs. 4, 42 EnWG und § 4 EDL-G sind nicht direkt sanktionsbewehrt, d.h. in beiden Gesetzen findet sich kein Ordnungswidrigkeitentatbestand, welcher ein Bußgeld bei der Verletzung einer dieser Bestimmungen anordnet. Insbesondere erwähnt der Bußgeldtatbestand des § 95 Verstöße gegen die genannten Vorschriften nicht.
Ein Missbrauchsverfahren nach § 30 EnWG kommt nicht in Betracht, denn dieses sanktioniert nur ein missbräuchliches Verhalten eines Netzbetreibers, nicht ein solches von Lieferanten. Ein besonderes Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG kommt ebenfalls nicht in Betracht, denn dieses gibt es nur bei Verstößen gegen Vorschriften der Abschnitte 2 und 3 von Teil 3 (Regulierung des Netzbetriebs) des EnWG.
Auch zivilrechtliche Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche aus § 32 EnWG kommen nicht in Betracht. Auch diese gibt es nur bei Verstößen gegen die Vorschriften über die Regulierung des Netzbetriebs.
Zu prüfen ist jedoch, ob Aufsichtsmaßnahmen der Regulierungsbehörde nach § 65 EnWG in Betracht kommen. Der Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 65 EnWG wäre dann mit Bußgeld bedroht (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 lit a) EnWG), wobei dieses bis zu hunderttausend Euro betragen kann (§ 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 4 EnWG).
Zu § 65 EnWG ist zunächst zu bemerken, dass es sich hierbei entgegen der voranstehenden Titelüberschrift nicht um eine Verfahrensregel sondern um eine Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe der Regulierungsbehörde handelt. Während das GWB korrekt zwischen Ermächtigungsgrundlage (§ 32 GWB) und der Regelung des behördlichen Verfahrens (§§ 54 ff GWB) unterscheidet, nimmt das EnWG gesetzestechnisch völlig verfehlt die Ermächtigungs-Generalklausel des § 65 EnWG in den mit »Teil 8 – Verfahren und Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren/Abschnitt 1 - Behördliches Verfahren« überschriebenen Teil des Gesetzes auf.
Fraglich ist, wer »Regulierungsbehörde« im Sinn des § 65 EnWG ist. Nach Auffassung des Autors ist dies nach § 54 Abs. 3 EnWG stets die Bundesnetzagentur, da diese Eingriffsbefugnis nicht der Landesregulierungsbehörde in § 54 Abs. 2 EnWG oder in einer anderen Bestimmung zugewiesen wurde. Das ist aber strittig, manche Autoren nehmen für bestimmte Fälle eine »Annexzuständigkeit« der Landesregulierungsbehörde an. [16] Auch die Regulierungsbehörden des Bundes und der Länder gehen davon aus, dass die für die Entflechtung zuständige Regulierungsbehörde ggf. zu Aufsichtsmaßnahmen nach § 65 EnWG greifen kann [17] , wofür, jedenfalls was die Entflechtungsvorschriften betrifft, durchaus einiges spricht.
In der ursprünglichen Fassung des EnWG 2005 enthielt § 65 Abs. 1 (seit EnWG 2011 § 65 Abs. 1 Satz 1) EnWG die Ermächtigung zu Verbotsverfügungen, die keinen Rechtsverstoß voraussetzen. Der unveränderte Abs. 2 enthält die Ermächtigung zu Gebotsverfügungen, die einen Rechtsverstoß voraussetzen, nicht aber Verschulden. [18] Im EnWG 2011 kamen in Abs. 1 die Sätze 2 und 3 hinzu, welche zu Gebotsverfügungen (»Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art«) ermächtigen, ohne dass ein Rechtsverstoß vorausgesetzt wird. Die Aufsichtsmaßnahmen wären im Übrigen nicht kostenlos, es können Verwaltungsgebühren von 500 € bis 180.000 € verlangt werden [19] , was für Lieferanten ein nicht zu vernachlässigendes Risiko darstellt.
In der bisher, soweit ersichtlich, einzigen monographischen Veröffentlichung zur Energierechnung des EnWG 2011 hält Alexander [20] sowohl die Anwendung von § 65 Abs. 1 Satz 1 EnWG wie von § 65 Abs. 2 EnWG im Zusammenhang mit fehlenden Angaben in der Energierechnung für denkbar. Als praktisches Beispiel für eine »Abhilfemaßnahme« gemäß § 65 Abs. 1 EnWG sei, so Alexander, denkbar, dass einem Unternehmen die Verwendung von Abrechnungen untersagt wird, die nicht dem gemäß § 40 Abs. 7 EnWG standardisierten Format entsprächen. Zudem könne ein Unternehmen nach § 65 Abs. 2 EnWG verpflichtet werden, seine Abrechnungen nach dem von der Bundesnetzagentur erstellten »Muster« zu gestalten. Diesen Ansichten von [21] ist in mehrfacher Hinsicht zu widersprechen.
Abgesehen davon, dass es eine Festlegung der BNetzA nach § 40 Abs. 7 EnWG nicht gibt und bisher auch kein entsprechendes Verfahren eröffnet wurde [22] , stellt sich die Frage, was mit einer Verbotsverfügung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 EnWG dahingehend, dass die Verwendung einer von einer Festlegung abweichenden Rechnungsgestaltung dem Lieferanten verboten wird, erreicht wäre. Dieses Verbot wäre ersichtlich nicht geeignet, einen rechtskonformen Zustand herzustellen und somit verfassungs- und verwaltungsrechtlich nicht zulässig. Das gleiche gälte, wenn die Verbotsverfügung damit begründet würde, dass die Rechnungsgestaltung von einer gesetzlichen Vorschrift abweicht, weshalb die sich anschließende Frage dahinstehen kann, ob zu den »Rechtsvorschriften« i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 EnWG auch Festlegungen der Regulierungsbehörde gehören, was Alexander implizit unterstellt, was aber rechtlich äußerst fraglich ist. Eine Festlegung ist eine Entscheidung der Regulierungsbehörde (§ 29 EnWG). Die spärliche Gesetzesbegründung [23] gibt keinen Aufschluss darüber, weshalb in § 65 Abs. 1 EnWG von »Rechtsvorschriften«, in Abs. 2 hingegen von »Rechtsverordnungen« die Rede ist. Angesichts des handwerklich durchweg äußerst unsorgfältig erstellten EnWG, kann hier nicht einfach eine absichtliche Unterscheidung des Gesetzgebers unterstellt werden. Somit muss es dabei bleiben, dass unter »Rechtsvorschrift« wie übliche Gesetze im materiellen Sinne (Parlamentsgesetz, Rechtsverordnung, öffentlich-rechtliche Satzung), nicht aber Verwaltungsakte und Allgemeinverfügungen – im Energiewirtschaftsrecht »Festlegung« genannt – zu verstehen sind.
Der Ansicht von Alexander, wonach ein Lieferant durch Gebotsverfügung nach § 65 Abs. 2 EnWG verpflichtet werden könne, seine Abrechnungen nach dem von der Bundesnetzagentur erstellten »Muster« zu gestalten, ist nicht zu folgen, da eine Festlegung nach § 40 Abs. 7 EnWG gerade keine Verpflichtung »nach diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen« ist, was wiederum Voraussetzung für die Anwendung des § 65 Abs. 2 EnWG wäre. Eine Gebotsverfügung mit dieser Begründung scheidet daher aus.
Denkbar wäre somit nur eine Gebotsverfügung nach § 65 Abs. 2 EnWG mit der von Alexander nicht diskutierten Begründung, dass der Lieferant eine oder mehrere der nach §§ 40, 41 Abs. 4, 42 EnWG (nicht jedoch aus § 4 EDL-G, weil es sich dabei nicht um eine Verpflichtung »nach diesem Gesetz« handelt), erforderlichen Angaben in der Rechnung nicht macht. Das Gebot, bestimmte Angaben zu machen, wäre jedenfalls geeignet, einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Der Erlass einer derartigen Gebotsverfügung liegt im Ermessen der Regulierungsbehörde, es herrscht das Opportunitätsprinzip. [24] Dabei ist - wie immer bei belastenden Verwaltungsakten - die Verhältnismäßigkeit zu wahren. [25] Insbesondere ist zu beachten, dass die Regulierungsbehörde nicht im Interesse eines Dritten, sondern nur im öffentlichen Interesse tätig werden darf; ihre Aufgabe liegt nicht in der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche, die der Dritte selbst verfolgen kann. [26] In die Ermessenserwägungen ist einzubeziehen, ob zivilrechtliche Rechtsschutzmöglichkeiten für die von dem rechtswidrigen Verhalten Betroffenen bestehen [27] – was vorliegend, wie noch darzulegen sein wird, der Fall ist.
Ganz generell stellt sich die Frage, ob es Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde gegen Lieferanten überhaupt geben kann. Adressaten von Festlegungen sind Lieferanten (mit Ausnahme des mit EnWG 2011 eingeführten § 40 Abs. 7 EnWG) nirgendwo im EnWG oder seinen Verordnungen, jedenfalls nicht ausdrücklich, weshalb z.B. auch GPKE und GeLi Gas zwar für Netzbetreiber, nicht aber für Lieferanten verbindlich sind. [28] Der Fall der Rechnungsgestaltung ist damit natürlich insoweit nicht vergleichbar, als dass es hier um gesetzliche Verpflichtungen geht, die sich ausdrücklich an Lieferanten richten. Allerdings handelt es sich um zivilrechtliche und nicht um öffentlich-rechtliche Verpflichtungen. Wie immer im Energiewirtschaftsrecht ist es erforderlich, zwischen diesen beiden Rechtskreisen zu unterscheiden um zu richtigen Ergebnissen zu kommen. Die Bundesnetzagentur als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie [29] nimmt Verwaltungsaufgaben des Bundes wahr. [30] Lieferanten werden gerade nicht reguliert, es ist nicht Verwaltungsaufgabe des Bundes, im Wettbewerb stehenden Unternehmen Vorschriften zu machen und zwar insbesondere dann nicht, wenn es um zivilrechtliche Verpflichtungen dieser Unternehmen geht. Insoweit und weil damit eine gesetzgeberische Entscheidung einer Behörde zugewiesen wird, was der Kompetenzordnung des Grundgesetzes widerspricht, ist die Festlegungsermächtigung des § 40 Abs. 7 als solche bereits problematisch.
Nach der hier vertretenen Ansicht ist § 65 EnWG somit nicht gegen Lieferanten anwendbar. Gegen diese Auffassung lässt sich nicht einwenden, § 65 wäre damit überflüssig. Er wird vielmehr benötigt, um gegen Netzbetreiber die Entflechtungsvorschriften (Teil 2) und die Vorschriften über die Aufgaben der Netzbetreiber (Teil 3 Abschnitt 1) durchzusetzen, welche durch §§ 30, 31 EnWG nicht erfasst sind. Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass die Eingriffskompetenzen des § 65 EnWG gegen den Grundversorger auch nach der hier vertretenen Auffassung durchaus bestehen, soweit es um dessen besondere - öffentlich-rechtlichen - Verpflichtungen zur Durchführung der Grund- und Ersatzversorgung nach §§ 36 - 38 EnWG geht.
Alexander weist zu Recht darauf hin, dass die Richtlinien 2009/72/EG und 2009/73/EG verlangen, dass auch die darin begründeten Rechte der Verbraucher von den Mitgliedstaaten oder von den Regulierungsbehörden durchgesetzt werden. Hierfür müssen die Mitgliedstaaten Sanktionen vorsehen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. [31] Dies schließe, so Alexander, Sanktionsbefugnisse der Regulierungsbehörden ein, was aber in dieser Schärfe nicht zutrifft. Das Sekundärrecht fordert vielmehr lediglich, dass die Regulierungsbehörde dazu »beträgt«, dass Maßnahmen zum Verbraucherschutz wirksam sind und durchgesetzt werden. [32] Dies wurde durch den nationalen Gesetzgeber zunächst dadurch umgesetzt, dass er den Verbraucherservice der Bundesnetzagentur für den Bereich Elektrizität und Gas geschaffen hat, auf den sowohl in der Rechnung (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EnWG) als auch im Energielieferungsvertrag (§ 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 EnWG) hinzuweisen ist. Im Übrigen bleibt der Verstoß keineswegs sanktionslos, wie noch darzulegen sein wird. Die Richtlinien werden auch dann ausreichend umgesetzt, wenn dem Lieferanten lauterkeitsrechtliche Sanktionen drohen. Die Art der Umsetzung bleibt den Staaten überlassen. Wo andere Staaten zu behördlichen Sanktionen greifen, entspricht es guter Tradition des deutschen Rechts, Sanktionen teilweise mit Hilfe des UWG auch in die Hände der Mitbewerber und qualifizierter Einrichtungen zu legen.
Schließlich geht der Hinweis von Alexander auf die Vorschrift des § 32 GWB als Vorbild für § 65 EnWG fehl. § 32 GWB setzt, jedenfalls, was die Anwendung der §§ 19, 20 GWB betrifft, eine marktbeherrschenden Stellung voraussetzt. Der Hinweis ist somit nur für den stets marktbeherrschenden und deshalb regulierten Netzbetreiber richtig, nicht aber für die Lieferanten, unter denen Wettbewerb herrscht. Da eine Sanktionierung von Lieferanten durch die Regulierungsbehörde europarechtlich nicht geboten ist und nach nationalem Recht ein befremdlicher Fremdkörper im Zivilrecht wäre, bleibt für eine Sanktionierung »nur« das Lauterkeits- und das Vertragsrecht, was umgekehrt bedeutet, dass Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften des EnWG auch bei Nichtanwendung des § 65 EnWG gegen Lieferanten keineswegs sanktionslos bleiben.