Der Haftungsausschlusstatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 1 HaftPflG ist erfüllt, wenn der Wasserschaden auf eine Rissbildung in einem Rohr zwischen der Wanddurchführung und der innerhalb eines Gebäudes befindlichen Hauptabsperrvorrichtung zurückzuführen ist.
BGH, Urteil vom 11.09.2014 - III ZR 490/13Sachverhalt:
Die Eigentümer eines Hausgrundstücks unterhalten bei dem Kläger eine Wohngebäude- und Hausratversicherung. Die beklagte Verbandsgemeinde ist Trägerin der öffentlichen Wasserversorgung. Nach Regulierung eines im Erdgeschoss des versicherten Hauses aufgetretenen Wasserschadens verlangt der Kläger von der beklagten Verbandsgemeinde aus übergegangenem Recht Erstattung der von ihm gezahlten Beträge. Ursache des Wasseraustritts war ein Riss in der im Anschlussraum des Gebäudes frei liegenden Wasserzuleitung zwischen der Wanddurchführung und der vor der Hauptabsperrvorrichtung befindlichen Wasseruhr. Der Kläger meint, die beklagte Verbandsgemeinde hafte schon deshalb nach den Vorschriften des Haftpflichtgesetzes, weil sich die Schadensstelle im Bereich des nach der Satzung in ihrem Eigentum stehenden Grundstücksanschlusses befinde. Jedenfalls liege eine Schlechterfüllung des mit den Grundstückseigentümern geschlossenen Wasserlieferungsvertrags vor. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht [16] die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter. Der BGH hat der Revision stattgegeben und die Sache zurückverwiesen.
Streitentscheidend war die Frage, ob der Ausnahmetat des § 2 Abs. 3 Nr. 1 HaftPflG hier vorlag oder nicht. Danach tritt die sog. Wirkungshaftung des Inhabers der Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage gem. § 2 Abs. 1 HaftPflG dann nicht ein, »wenn der Schaden innerhalb eines Gebäudes entstanden und auf eine darin befindliche Anlage (Absatz 1) zurückzuführen« ist. Nach Auffassung des Berufungsurteils sei eine teleologische Reduktion der Bestimmung vorzunehmen. Obliege die Unterhaltungslast für den Hausanschluss dem Träger der (hier öffentlichen) Wasserversorgung, so beginne die »haftungsrechtliche Verantwortung« des Anschlussnehmers erst an der Übergabestelle zur Kundenanlage. Ein jenseits der Hausdurchführung aber vor der Kundenanlage aufgetretener Schaden sei dann nicht auf eine innerhalb des Gebäudes liegende Anlage i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 1 HaftPflG zurückzuführen.
Diese Entscheidung, mit welcher das OLG Koblenz nicht alleine stand [17] hat der BGH richtigerweise korrigiert. Die vom Berufungsgericht vorgenommene einschränkende Auslegung und teleologische Reduktion der Vorschrift sei nach ihrem Sinn und Zweck nicht geboten. Das Gesetz verlange nicht, dass es sich bei der in einem Gebäude befindlichen Anlage um eine solche handelt, bei der sämtliche Anlageteile vollständig im Inneren des Gebäudes untergebracht sind. Sofern die Anlage teils außerhalb, teils innerhalb eines Gebäudes gelegen ist, beziehe sich der Haftungsausschluss auf den Teil der Anlage, der innerhalb des Gebäudes verläuft. Der BGH begründet dies in erster Linie durch die Auslegung dessen, was der historische Gesetzgeber des § 1a RHG (RGBl. I 1943 S. 489) [18] bezweckt hatte. Die Gefährdungshaftung bezwecke in erster Linie den Schutz der Öffentlichkeit und nicht den Schutz Personen, die entweder als Abnehmer oder als Familienangehörige, Besucher, Mieter oder Bedienstete die von der Anlage ausgehende Gefahr bewusst auf sich nehmen; diesen Personen sollte ein Gefährdungshaftungsanspruch nicht eingeräumt werden. Mit der Übernahme der Regelungen des § 1a RHG in § 2 HaftPflG [19] sollte dieses Haftungssystem im Grundsatz beibehalten werden. Diesem Gesetzeszweck entsprechend sei davon auszugehen, dass Schäden der vorliegenden Art nicht der strengen Gefährdungshaftung unterliegen, weil dabei das vorrangig geschützte öffentliche Interesse nicht berührt wird, sondern ausschließlich der häusliche Bereich des Geschädigten betroffen ist. Es bestehe deshalb kein Anlass, das Gesetz abweichend von seinem Wortlaut und vom Willen des Gesetzgebers auszulegen oder eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Nachdem sich das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht mehr mit anderen möglichen Anspruchsgrundlagen befasst hatte, war der Rechtsstreit zurückzuverweisen damit das Berufungsgericht ggf. eingreifende andere Anspruchsgrundlagen prüft.
Die Argumente des BGH können dahingehend ergänzt werden, dass die Gegenansicht das Regel-/Ausnahmeverhältnis der Haftung des Versorgers übersieht. Die Regel ist, dass der Versorger - wie jedermann - verschuldensabhängig aus Vertrag (§ 280 Abs. 1 BGB) und ggf. aus Delikt (§ 823 BGB) haftet. Die Gefährdungshaftung, welche dem Schutz der Öffentlichkeit vor gefährlichen Anlagen dient, ist die Ausnahme von dieser Regel und sie wurde vom Gesetzgeber aus guten Gründen begrenzt. § 2 Abs. 3 HaftPflG stellt als Rückausnahme die Regel der verschuldensabhängigen - bei Strom und Gas und im Falle der Fahrlässigkeit zusätzlich der Höhe nach begrenzten (§ 18 NAV/NDAV) - Haftung wieder her. Im Übrigen lag hier seitens des Berufungsgerichts eine unzulässige Auslegung gegen den völlig eindeutigen Wortlaut (»Schaden innerhalb eines Gebäudes entstanden«) vor. »Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein«. [20]
Tritt ein Wasserrohrbruch »in« der Außenwand eines Gebäudes auf, ist eine Ersatzpflicht nach dem HaftPflG ausgeschlossen, da der Schaden innerhalb des Gebäudes entstanden ist. Bei einem Gebäude gibt es nur »innen« und »außen«, einen Zwischenbereich gibt es nicht.
AG Mannheim, Urteil vom 12.12.2013 - 3 C 137/13; Berufung zurückgewiesen durch LG Mannheim, Urteil vom 14.11.2014 - 1 S 33/14
Die Entscheidung des LG Mannheim erging in Kenntnis der vorstehend besprochenen BGH-Entscheidung. Das LG Mannheim hat mit gleichem Ergebnis entschieden und damit eine schon zuvor getroffene Entscheidung des AG Mannheim bestätigt. Dort ging es um einen Wasserrohrbruch »in« der Außenwand eines Gebäudes. Wie zuvor schon das Amtsgericht, stellt das LG Mannheim fest, es gebe nur entweder »innerhalb« oder »außerhalb« eines Gebäudes, einen Zwischenbereich gebe es nicht. Bei der Auslegung nach dem Wortlaut liege es nahe, auch die das Gebäude abschließende Außenwand noch dem Bereich »innerhalb« des Gebäudes zuzurechnen sei, da die Außenwand Teil des Gebäudes sei und das Gebäude zum Außenbereich abgrenze. Dieser Abgrenzung ist ebenfalls zuzustimmen
Die Ersatzpflicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG ist nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 HaftPflG bereits dann ausgeschlossen, wenn neben einem Fehler der Außenanlage ein fehlerhafter Zustand des sich im Gebäude befindlichen Teils der Anlage den Schaden gleichrangig mitverursacht hat.
BGH, Urteil vom 04.12.2001 – VI ZR 447/00Sachverhalt:
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sie in den Jahren 1997 und 1998 ein vollständig unterkellertes, mehrgeschossiges Wohngebäude errichteten. Das beklagte Wasserversorgungsunternehmens installierte eine Hausanschlussleitung, die an der Abzweigstelle durch einen Schieber verschlossen werden kann und im Kellerraum des damals noch nicht fertiggestellten Gebäudes mit der Hauptabsperrvorrichtung, endete. Eine Verbindung zwischen der Hauptabsperrvorrichtung und dem Wasserleitungsnetz des Hauses war noch nicht hergestellt, insbesondere war noch kein Wasserzähler installiert. Ein Wasserversorgungsvertrag war noch nicht abgeschlossen. Nach der Verlegung der Hausanschlussleitung war die Hauptabsperrvorrichtung für die Mitarbeiter des Wasserversorgungsunternehmens nicht mehr zugänglich. Das Haus war bereits gegen unbefugtes Betreten abgesichert. Zutritt hatten nur noch die Kläger und ihre Mitarbeiter. Am 14. April 1998 drangen ca. 600 cbm Wasser durch die Hausanschlußleitung in die Kellerräume des Gebäudes ein, weil zu diesem Zeitpunkt weder der Schieber an der Abzweigstelle noch die Hauptabsperrvorrichtung im Keller des Gebäudes geschlossen waren. Die Kläger begehren von den Beklagten Ersatz des ihnen hierdurch entstandenen Schadens, den sie mit 47.355,25 DM beziffert haben. Das Geschehen lasse sich nur so erklären, dass nach der Verlegung der Hausanschlußleitung allein der Schieber an der Abzweigstelle, nicht hingegen auch die Hauptabsperrvorrichtung geschlossen und der Schieber später durch das Fehlverhalten eines Dritten geöffnet worden sei.
Aus den Gründen:
Eine Haftung der Beklagten läßt sich allerdings nicht bereits, wie die Revision meint, aus § 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG herleiten. Wird durch die Wirkungen von Flüssigkeiten, die von einer zu deren Abgabe bestimmten Rohrleitungsanlage ausgehen, eine Sache beschädigt, so ist nach dieser Vorschrift zwar der Inhaber der Anlage (verschuldensunabhängig) verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht ist jedoch gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 HPflG ausgeschlossen, wenn der Schaden innerhalb eines Gebäudes entstanden und auf eine darin befindliche Anlage zurückzuführen ist. Diese gesetzliche Regelung hat auch ihren guten Grund: Die Gefährdungshaftung des Inhabers der Versorgungsleitung soll, neben den Fällen der höheren Gewalt, immer dann nicht eintreten, wenn die Schadensursache im beherrschbaren Risikobereich des Geschädigten liegt.
Im vorliegenden Fall ist der Schaden nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts dadurch verursacht worden, daß zum Zeitpunkt des Schadensereignisses sowohl der Schieber an der Abzweigstelle als auch die Hauptabsperrvorrichtung im Keller des Gebäudes offenstanden, welches nach der Installation der Hausanschlußleitung nur noch den Klägern und den von ihnen autorisierten Personen zugänglich war. Bei mehreren zusammenwirkenden Ursachen außerhalb und innerhalb des Gebäudes kommt es für den Ausschluß der Haftung darauf an, ob die Quelle des Schadens, d.h. die eigentliche und entscheidende Ursache für das Entstehen des Schadens, bei der Außen- oder bei der Innenanlage liegt. In solchen Fällen ist der Schaden nicht auf die Innenanlage »zurückzuführen«, wenn diese sich in ordnungsgemäßem Zustand befunden hat und der Schaden nur darauf beruht, daß sie Einwirkungen (z.B. Kurzschlüssen und Überspannungen einer Stromleitung) nicht stand zu halten vermag, die ihren Grund in dem fehlerhaften Zustand der Außenanlage haben. Demgegenüber hat vorliegend ein fehlerhafter Zustand der Innenanlage den Schaden gleichrangig mitverursacht. Zum Schadenseintritt wäre es nämlich nicht gekommen, wenn die Kläger dafür Sorge getragen hätten, daß die sich in ihrem Risikobereich befindliche Absperrvorrichtung geschlossen gewesen wäre.