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Titel: Entflechtung, §§ 6 ff. EnWG
Rechtsstand: 01.01.2015

Entflechtung, §§ 6 ff. EnWG

Wesentliches Kernstück der Energiemarktliberalisierung ist die Entflechtung, d.h. die Trennung von einerseits Übertragung und Verteilung (Strom) bzw. Fernleitung, Verteilung, Betrieb einer LNG-Anlage und Speicherung (Gas) und andererseits Erzeugung und Vertrieb (Strom) bzw. Gewinnung und Vertrieb (Gas). Während die Netzfunktionen (Straßen) als natürliche Monopole staatlich reguliert werden, sollen Erzeugung und Vertrieb von Energie (Fabriken und Lastwagen) dem freien Wettbewerb unterliegen.

Beim Vergleich zwischen Strom und Gas fällt auf, dass bei Gas die Speicherung bedacht und dem Bereich Netz zugeschlagen wurde, während bei Strom die Speicher nicht erwähnt werden. Dies führt beispielsweise dazu, dass Pumpspeicherwerke aber auch Batteriegroßspeicher (auf dem Gelände der RWTH Aachen hat Mitte August 2015 z.B. der Bau eines Hybrid-Batteriegroßspeichers mit 5 MW Leistung begonnen <VDI-Nachrichten vom 28. August 2015>) als ganz »normale« Verbraucher und Erzeuger angesehen werden, was aus ökonomischer Sicht jedenfalls fragwürdig ist, nachdem solche Speicher ohne Zweifel netzdienlich eingesetzt werden können. Fragwürdig ist auch, dass Pumpspeicherwerke Netzentgelte für den Bezug des Stroms zum Pumpen des Wassers bezahlen müssen und der Abnehmer des Stroms, den das Pumpspeicherwerk später wieder in das Netz einspeist nochmals für die Netznutzung bezahlen mus.

Die jeweiligen Zustände vor und nach der Entflechtung können den beiden nachfolgenden Schaubildern entnommen werden.

Alter Zustand (vor Entflechtung)

Neuer Zustand (nach Entflechtung)

Die Kehrseite: neues ökonomisches Problem

Die Entflechtung führt allerdings zu neuen ökonomischen Problemen, insbesondere bei den Offshore-Windparks. Hier belauern sich Windparkbetreiber und Netzbetreiber gegenseitig, weil keiner von beiden einen dreistelligen Millionenbetrag für den Windpark bzw. für die »HGÜ-Steckdose« samt HGÜ-Kabel ausgeben will, ohne sicher zu sein, dass der jeweils andere zur gleichen Zeit mit seinem Projekt fertig wird. Hier musste der Gesetzgeber mit § 17a-17i EnWG umfangreiche Regelungen treffen um dieses Problem zu lösen.

Grundsätze und Bereiche der Entflechtung

Zu den Entflechtungsvorschriften gehören zunächst zwei Grundsätze:

  • »diskriminierungsfreie Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebs«, § 6 EnWG
  • »Vertraulichkeit wirtschaftlich sensibler Informationen«, § 6a EnWG – dies wird bisweilen auch als »informationelle Entflechtung« bezeichnet.

Weiterhin gehören zur Entflechtung die drei Bereiche

  • Buchhalterische Entflechtung, § 6b EnWG
  • Rechtliche Entflechtung, § 7 EnWG für Verteilnetzbetreiber sowie verschärfte Vorschriften in §§ 8-10 EnWG für Transportnetzbetreiber
  • Operationelle Entflechtung, § 7a EnWG

Buchhalterische Entflechtung, § 6b EnWG

Nach den Vorschriften zur buchhalterischen Entflechtung (§ 6b EnWG) müssen die Unternehmen ungeachtet der Eigentumsverhältnisse und der Rechtsform Jahresabschluss und Lagebericht immer nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des HGB aufstellen, prüfen lassen und offenlegen. Zur »Vermeidung von Diskriminierung und Quersubventionierung« müssen getrennte Konten für Elektrizitätsübertragung / Elektrizitätsverteilung / Gasfernleitung / Gasverteilung / Gasspeicherung / Betrieb von LNG-Anlagen geführt werden.

Operationelle Entflechtung, § 7a EnWG

Bei der operationellen Entflechtung (§ 7a EnWG) geht es im Wesentlichen darum, dass die Unabhängigkeit des Verteilernetzbetreibers »hinsichtlich der Organisation, der Entscheidungsgewalt und der Ausübung des Netzgeschäfts …  sicherzustellen« ist. Insbesondere ist die »berufliche Handlungsunabhängigkeit der Personen zu gewährleisten, die mit Leitungsaufgaben des Verteilernetzbetreibers betraut sind«.

Seit dem EnWG 2011 haben weiterhin »Verteilernetzbetreiber, die Teil eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens sind, … in ihrem Kommunikationsverhalten und ihrer Markenpolitik zu gewährleisten, dass eine Verwechslung zwischen Verteilernetzbetreiber und den Vertriebsaktivitäten des vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens ausgeschlossen ist.« Sowohl »Kommunikationsverhalten« als auch »Markenpolitik« sind juristisch merkwürdige und ungewöhnliche Formulierungen, welche kein Vorbild haben. Die Bundesnetzagentur hat Unternehmen, welche nicht der de-minimus-Regelung unterfallen (dazu sogleich) gestützt auf diese Vorschrift im wesentlichen dazu gezwungen, für die Netzgesellschaft eine von dem Vertriebsunternehmen klar unterscheidbaren Namen zu wählen und entsprechend umzufirmieren. Dies soll verdeutlicht werden am Beispiel der Freiburger badenova.

Die Bundesnetzagentur hat auch regelmäßig Wert darauf gelegt, dass für den Internetauftritt eine entsprechende eigene Domain verwandt wird und auch die E-Mail diese Domain verwenden. Eine eigene Telefon-Stammnummer wurde hingegen, soweit bekannt, bisher nicht gefordert, obwohl man auch dies unter »Kommunikationsverhalten« subsummieren könnte.Hingegen mussten die Fahrzeuge des Netzbetriebes mit entsprechenem Aufwand umlackiert werden.

Rechtliche Entflechtung, §§ 7-10 EnWG

Bezüglich der rechtlichen Entflechtung ist zwischen Übertragungsnetzbetreibern (§§ 8-10 EnWG) und Verteilnetzbetreibern §§ 7 EnWG zu unterscheiden.

Von den vier Übertragungsnetzbetreibern haben drei ihre Übertragungsnetze an konzernfremde Unternehmen bzw. Investoren verkauft und sind damit nach § 8 EnWG eigentumsrechtlich getrennt. [1] Einzig EnBW machte von der Möglichkeit des § 10 EnWG Gebrauch und hat die frühere EnBW Transportnetz AG zum sog. Unabhängigen Transportnetzbetreiber unter dem Namen TransnetBW GmbH gemacht, ohne das Eigentum an der Gesellschaft aufzugeben.

Eine rechtliche Entflechtung von Verteilernetzbetreibern ist gem. § 7 Abs. 2 EnWG für solche Unternehmen nicht verpflichtend, an deren Netz weniger als 100.000 Kunden angeschlossen sind (de-minimis-Regel). Daher gibt es zahlenmäßig noch immer viele Unternehmen, v.a. Stadtwerke, welche die »eigentlich« zu entflechtenden Bereiche noch immer in der gleichen Firma halten. Für den Letztverbraucher ist die Kommunikation mit solchen Unternehmen – oder gar eine Klage gegen das Unternehmen – eher angenehmer, denn er muss sich keine Gedanken machen, gegen wen genau (Vertrieb oder Netzbetreiber) sich sein Anspruch richtet. Allerdings ist auch hier Vorsicht geboten: es gibt auch Stadtwerke, welche z.B. schon immer Gas- und Wasserversorger waren und welche in den letzten Jahren das Stromnetz vom Regionalversorger übernommen haben. Hier fallen Grundversorgung und Netzbetrieb auseinander, denn der Regionalversorger verliert durch die Netzübernahme nicht seine Kunden. Solange er die meisten Kunden hat, bleibt er auch Grundversorger. [2] Die Unternehmen mit mehr als 100.000 Kunden müssen hingegen sicherstellen, »dass Verteilernetzbetreiber … hinsichtlich ihrer Rechtsform unabhängig von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sind« (§ 7 Abs. 1 EnWG), was in der Praxis dadurch gelöst wurde, dass eine 100%ige Tochtergesellschaft in Form einer GmbH gegründet wurde.

Da die Gesellschaften in der Praxis Name und Außenauftritt so gestalteten, dass sie zum Verwechseln ähnlich aussahen, wurde mit dem EnWG 2011 mit § 7a Abs. 6 (§ 7a regelt die operationelle Entflechtung) eine Bestimmung eingefügt, welche vorschreibt, dass »Kommunikationsverhalten« und »Markenpolitik« so zu gestalten sind, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Demgemäß haben sich zwischenzeitlich mehrere Netzbetreiber umbenannt [3] und in ihrem Auftritt Farben, Schrifttypen, Logos usw. mehr oder weniger deutlich geändert. Siehe dazu auch das obige Beispiel.

Akteure in der Energiewirtschaft

Nachdem die Unternehmen in die Bereiche Netz und Vertrieb aufgespalten wurden, war konsequenterweise auch der Kunde (früher eher »Anschlussfall« o.ä. genannt) zu »entflechten«. Nachdem weiterhin auch das Messwesen [4] liberalisiert wurde und nachdem schließlich weitere Regelungen für die Beziehungen der Akteure untereinander zu treffen waren, ergaben sich eine Vielzahl von Rechtsbeziehungen und auch eine Vielzahl von neuen Begriffen, welche in der nachstehenden Abbildung dargestellt sind.

Das Schaubild mag hilfreich sein, wenn im Folgenden die wichtigen Begriffe und Rechtsbeziehungen rund um den Anschlussnehmer (typischerweise Eigentümer / Vermieter) bzw. den Anschlussnutzer / Letztverbraucher – das ist eine Person in zwei verschiedenen energiewirtschaftlichen Rollen (typischerweise Mieter / Pächter) – im Einzelnen erläutert werden. Sie können dieses Schaubild hier auch in besserer Qualität als pdf-Datei herunterladen und ggf. drucken.

In der nachfolgenden Abbildung sind weitere wichtige gesetzlich definierte Begriffe rund um das Netz dargestellt. Auch diese Übersicht können Sie hier in besserer Qualität als pdf-Datei herunterladen und ggf. drucken.

  1. [1]
    E.On → Tennet TSO, RWE → Amprion und Vattenfall → 50Hertz Transmission.
  2. [2]
    zur Grundversorgung im Einzelnen unten.
  3. [3]
    zum Beispiel wurde aus der »EnBW Regional AG« die »Netze BW GmbH«
  4. [4]
    zum Messwesen im Einzelnen unten.

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