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Titel: Einführung in die deutsche Anreizregulierung
Rechtsstand: 01.01.2015

Einführung in die deutsche Anreizregulierung

Die Anreizregulierung stellt ein wichtiges Instrument zur Schaffung eines liberalisierten Energiemarktes dar. Erklärte Zielsetzung der Regulierungsinitiative ist die Steigerung der Kosteneffizienz der Netzbetreiber durch die Erzeugung von Anreizen zur Kostensenkung. Die gesteigerte Kosteneffizienz soll zu der Entwicklung wettbewerbsfähiger Preise und einer Senkung der Entgeltbelastung für den Verbraucher führen.

Neben der ARegV wird das Regulierungsprinzip durch zahlreiche andere Gesetzestexte bestimmt. Hierzu zählen neben dem EnWG auch die Entgeltverordnungen für Strom und Gas, die NAV (Niederspannungsanschlussverordnung) und NDAV (Niederdruckanschlussverordnung), die KAV (Konzessionsabgabeverordnung), das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) und das KWKG (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz). In diesem Kapitel werden die in der ARegV verankerten Bestimmungen und damit zusammenhängenden Paragrafen in angrenzenden Gesetzestexten behandelt.

Ursprünglich sah der Gesetzgeber zur Gewährleistung einer effizienten Betriebsführung lediglich die Kostenprüfung vor. Primärziel war zu diesem Zeitpunkt, den Ausbau und die Funktionsfähigkeit der Energienetze zu gewährleisten. Da in diesem System aber eine ständige Kostenerstattung für die Netzbetreiber enthalten war, entstand nahezu kein Anreiz, die Netzkosten nachhaltig zu senken. In der Fassung des EnWG von 2005 war bereits ein Vergleichsverfahren der festgestellten Kosten vorgeschrieben. [1] Es basierte auf der gängigen Kostenprüfung und Dokumentationspflicht der Netzbetreiber. Um das Vergleichsverfahren zu ermöglichen, wurden Strukturklassen und Mitteilungspflichten in den NEV genauer festgelegt. [2]

In der Praxis stellte sich jedoch heraus, dass sich die Einordnung in Strukturklassen, wie im § 24 NEV vorgeschrieben, sehr schwierig gestaltete. Die vorgesehene Gruppierung der Netzbetreiber schien nicht praktikabel. [3] Oftmals waren die gebildeten Cluster zu groß und damit die Homogenität und Vergleichbarkeit innerhalb eines Clusters eingeschränkt. Wurde die Anzahl der Cluster erhöht, sank gleichzeitig die Anzahl der Netzbetreiber (Objekte) innerhalb eines Clusters und somit auch die statistische Aussagekraft. Ein Vergleich war nur sehr eingeschränkt möglich.

Am 17.12.2006 wurde daher mit dem neuen § 21a des EnWG das Prinzip der Anreizregulierung eingeführt. Durch die Anreizregulierung sollen die Netzbetreiber gezielt Anreizen zu einer kontinuierlichen Kostensenkung ausgesetzt  werden.

Vereinfacht betrachtet besteht die Anreizregulierung aus den folgenden Elementen:

  • Auf der Grundlage einer Kostenprüfung wird das Ausgangsniveau für eine fünfjährige Regulierungsperiode bestimmt. [4]
  • Die festgestellten Netzkosten bilden die Ausgangsbasis für die innerhalb einer Regulierungsperiode festgelegte Erlösobergrenze eines Netzbetreibers.
  • Alle Netzbetreiber müssen die Netzkosten im Rahmen des allgemeinen Produktivitätsfortschritts senken, der durch den Produktivitätsfaktor festgelegt wird. [5]
  • Ein Effizienzvergleich der Netzbetreiber untereinander bestimmt den Effizienzwert. Hat ein Netzbetreiber einen Effizienzwert kleiner 100 %, muss er die Netzkosten, die der Differenz entsprechen, innerhalb einer Regulierungsperiode abbauen. [6]
  • Die allgemeinen Preissteigerungen innerhalb einer Regulierungsperiode werden durch eine Indizierung (Verbraucherpreisgesamtindex) der zulässigen Erlöse abgebildet und berücksichtigt.

Einzelheiten hierzu sind in der ARegV festgelegt, die auf der Grundlage der zuvor erwähnten Verordnungsermächtigung am 29.10.2007 beschlossen wurde.

Der Anreiz für die Kostenreduzierung liegt in erster Linie in der möglichen Erwirtschaftung eines Zusatzgewinns. Wenn die Senkungsvorgabe übererfüllt wird, darf der Netzbetreiber die Differenz zwischen Vorgabe und erzielter Kostensenkung als Zusatzgewinn innerhalb einer Regulierungsperiode behalten. Die Anreizregulierung gibt also nicht nur eine bestimmte Kostensenkung vor, sondern motiviert gleichzeitig zur Übererfüllung der Vorgabe (Abbildung 10).

Ein Netzbetreiber darf also den „Mehrbetrag“ als Zusatzgewinn innerhalb einer Regulierungsperiode behalten. In der Bemessungsgrundlage für die nächste Regulierungsperiode sind die zusätzlich abgebauten Netzkosten allerdings nicht mehr enthalten. Das Ausgangsniveau ist um den Betrag niedriger. Die Netzentgelte sinken dementsprechend.

Einordnung der Netzkosten

Da die Vorgabe der individuellen Erlösobergrenzen die gesamten Netzkosten umfasst, muss unterschieden werden, ob ein Netzbetreiber einen Kostenbestandteil selber beeinflussen kann oder nicht. Hierzu heißt es im § 11 Abs. 1  ARegV:

„Als nicht beeinflussbare Kostenanteile gelten dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile und vorübergehend nicht beeinflussbare Kostenanteile.“

Beeinflussbare Kosten stellen die Kosten dar, die über den erhobenen Effizienzwert innerhalb einer Regulierungsperiode abgebaut werden müssen. Alle Kostenanteile die nicht als dauerhaft oder vorübergehend nicht beeinflussbare Kostenanteile definiert sind, sind beeinflussbare Kostenanteile. [7]

Die Kostenelemente die außerhalb des Einflusses eines Netzbetreibers liegen, sind im § 11 Abs. 2 ARegV aufgeführt. Hiernach gelten als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile Kosten und Erlöse aus:

1. gesetzlichen Abnahme- und Vergütungspflichten,

2. Konzessionsabgaben,

3. Betriebssteuern,

4. erforderlicher Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen,

5. der Nachrüstung von Wechselrichtern und der Nachrüstung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und aus Kraft-Wärme-Kopplung,

6. genehmigten Investitionsmaßnahmen nach § 23,

6a. der Auflösung des Abzugsbetrags nach § 23 Abs. 2a,

7. Mehrkosten für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Erdkabeln nach
§ 43 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 des EnWG, soweit diese nicht nach Nummer 6 berücksichtigt werden und soweit die Kosten bei effizientem Netzbetrieb entstehen,

8. vermiedenen Netzentgelten im Sinne von § 18 der StromNEV, § 57 Abs. 3 des EEG und
§ 4 Abs. 3 des KWKG,

8a. dem erweiterten Bilanzausgleich gemäß § 35 der Gasnetzzugangsverordnung vom 03.09.2010 (BGBl. I S. 1261) in der jeweils geltenden Fassung, abzüglich der vom Einspeiser von Biogas zu zahlenden Pauschale,

  • erforderliche Maßnahmen des Netzbetreibers gemäß § 33 Abs. 10, § 34 Abs. 2 und § 36 Abs. 3 und 4 der Gasnetzzugangsverordnung,
  • die Kosten für den effizienten Netzanschluss sowie für die Wartung gemäß
    § 33 Abs. 1 der Gasnetzzugangsverordnung,
  • Entgelte für vermiedene Netzkosten, die vom Netzbetreiber gemäß § 20a GasNEV vom 25.07.2005 (BGBl. I S. 2197), die zuletzt durch Artikel 5 der Verordnung vom 03.09.2010 (BGBl. I S. 1261) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, an den Transportkunden von Biogas zu zahlen sind in der Höhe, in der die Kosten unter Berücksichtigung der Umlage nach § 20b der GasNEV beim Netzbetreiber verbleiben.

8b. Zahlungen an Städte oder Gemeinden nach Maßgabe von § 5 Abs. 4 der StromNEV,

9. betrieblichen und tarifvertraglichen Vereinbarungen zu Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen, soweit diese in der Zeit vor dem 31.12.2008 abgeschlossen worden sind,

10. der im gesetzlichen Rahmen ausgeübten Betriebs- und Personalratstätigkeit,

11. der Berufsausbildung und Weiterbildung im Unternehmen und von Betriebskindertagesstätten für Kinder der im Netzbereich beschäftigten Betriebsangehörigen,

12. pauschalierten Investitionszuschlägen nach Maßgabe des § 25,

12a. Forschung und Entwicklung nach Maßgabe des § 25a,

13. der Auflösung von Netzanschlusskostenbeiträgen und Baukostenzuschüssen nach

  • § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 in Verbindung mit Satz 2 der StromNEV und
  • § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 in Verbindung mit Satz 2 der GasNEV,

14. dem bundesweiten Ausgleichsmechanismus nach § 2 Abs. 4 Energieleitungsausbaugesetzes vom 21.08.2009 (BGBl. I S. 2870) in der jeweils geltenden Fassung,

15. dem finanziellen Ausgleich nach § 17d Abs. 7 des EnWG.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 2  der ARegV gelten als nicht beeinflussbare Kosten auch solche Kosten oder Erlöse, „die sich aus Maßnahmen des Netzbetreibers ergeben, die einer wirksamen Verfahrensregulierung nach der Stromnetzzugangsverordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel (ABl. EU Nr. L 176 S. 1), zuletzt geändert durch den Beschluss Nr. 2006/770/EG der Kommission vom 9. November 2006 zur Änderung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel (ABl. EU Nr. L 312 S. 59), unterliegen.“

Hierzu zählen insbesondere:

  1. Kompensationszahlungen im Rahmen des Ausgleichsmechanismus nach Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003,
  2. Erlöse aus dem Engpassmanagement nach Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 oder nach § 15 der Stromnetzzugangsverordnung, soweit diese entgeltmindernd nach Artikel 6 Abs. 6 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 oder § 15 Abs. 3 Satz 1 der Stromnetzzugangsverordnung geltend gemacht werden, und
  3. Kosten für die Beschaffung der Energie zur Erbringung von Ausgleichsleistungen, einschließlich der Kosten für die lastseitige Beschaffung.

Die vorstehende Auflistung wurde aus der ARegV übernommen.

Die vorrübergehend nicht beeinflussbaren Kostenbestandteile sind diejenigen, die nicht innerhalb einer Regulierungsperiode abgebaut werden müssen. Sie unterliegen also nicht der individuellen Senkungsvorgabe, die aus dem Effizienzvergleich resultiert.

Die vorübergehend nicht beeinflussbaren Kostenanteile unterliegen jedoch der allgemeinen  Regulierungsformel. Sie werden mit der Geldentwicklung (nach § 8 ARegV) inflationiert und über die Senkungsvorgaben im Rahmen des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors abgebaut (§ 9 ARegV).

Aus der Praxis:

Als Teil der vorübergehend nicht beeinflussbaren Kosten unterliegen damit auch die Kapitalkosten den Senkungsvorgaben der Anreizregulierung. An diesem Zusammenhang übten die Netzbetreiber verstärkt Kritik. Eine aktive Beeinflussung der Kapitalkosten kann erst bei der Erneuerung von Versorgungsanlagen vorgenommen werden. Durch die langen Nutzungsdauern der Anlagegüter in Versorgungsnetzen ist dies kurzfristig nicht möglich. Um die Senkungsvorgaben kurzfristig zu erfüllen, besteht also nur die Möglichkeit, die operativen Kosten stärker abzusenken. Im Extremfall kann dadurch die Gewährleistung eines stabilen Netzbetriebes beeinträchtigt werden oder sich der Wartungszustand der Anlagegüter nachhaltig verschlechtern.

Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze

Der § 6 ARegV regelt in drei Absätzen die Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze. Als Ausgangsniveau für die 1. Regulierungsperiode war nach § 6 Abs. 2 der ARegV das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a EnWG vor Beginn der Anreizregulierung heranzuziehen.

Für die folgenden Regulierungsperioden wird eine Kostenprüfung nach den Vorgaben der NEV vorgenommen. Die Regelungen zur Bestimmung der Netzkosten der NEV (jeweils Teil 2, Abschnitt 1 und die §§ 28 bis 30) werden von der Einführung der ARegV in ihrer Gültigkeit nicht beeinflusst.

Absatz 3 sieht im Rahmen der Prüfung eine weitere Regulierungsmöglichkeit vor. Da eine Kostenprüfung im Rahmen der Anreizregulierung nur alle fünf Jahre stattfindet, besteht seitens der Regulierungsbehörden die Vermutung, dass ein Netzbetreiber versucht, die Kosten eines Basisjahres so hoch wie möglich zu gestalten. Um dies zu verhindern, sieht Absatz 3 vor, dass Kosten, die dem Grunde oder der Höhe nach auf einer Besonderheit des Geschäftsjahres beruhen, bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus unberücksichtigt bleiben.

Effizienzwert – Effizienzvergleich

Um die Umsetzung der im § 21a Abs. 5 Satz 4 EnWG vorgesehenen grundsätzlichen Erreichbarkeit der Effizienzvorgaben zu gewährleisten, werden alle Netzbetreiber miteinander verglichen. Der Effizienzvergleich ist nach Maßgabe der §§ 12 bis 14 der ARegV durch die Regulierungsbehörde durchzuführen. Hierzu sind zwei verschiedene Methoden vorgesehen, das reguläre und das vereinfachte Verfahren. Beide werden im Folgenden näher erläutert.

Reguläres Verfahren

Nach dem regulären Verfahren werden die Netzbetreiber anhand verschiedener relevanter Parameter verglichen. Im § 13 ARegV sind die zu betrachtenden Parameter aufgeführt:

  1. die Anzahl der Anschlusspunkte in Stromversorgungsnetzen und der Ausspeisepunkte in Gasversorgungsnetzen,
  2. die Fläche des versorgten Gebietes,
  3. die Leitungslänge,
  4. die Jahresarbeit,
  5. die zeitgleiche Jahreshöchstlast oder
  6. die dezentralen Erzeugungsanlagen in Stromversorgungsnetzen, insbesondere die Anzahl und Leistung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Wind- und solarer Strahlungsenergie.

Welche Parameter zusätzlich einbezogen werden, war zu Beginn der Regulierung nicht definiert. Das einzige Kriterium war, dass die Parameter geeignet sein mussten, um die Belastbarkeit des Effizienzvergleichs zu stützen. Außerdem sollte bei der Ermittlung der geeigneten Parameter qualitative, analytische oder statistische Methoden verwendet werden. In der 1. und 2. Regulierungsperiode sind nach § 13  Abs. 4 ARegV die Parameter 1, 2, 3 und 5 verpflichtend vorgeschrieben.

In Anlage 3 sind die statistischen Verfahren der Dateihüllenanalyse (Data Envelopment Analysis – DEA) und der Stochastischen-Effizienzgrenzen-Analyse (Stochastic Frontier Analysis – SFA)  beschrieben. Anhand dieser international anerkannten Vergleichsmethoden hat die Regulierungsbehörde den Effizienzvergleich durchzuführen. Als Maßstab werden die effizienten Unternehmen (Frontiers) angesetzt. Die Frontiers verfügen über das beste Verhältnis zwischen netzwirtschaftlicher Leistungserbringung und Aufwand.

Nach § 15 Abs. 1 ARegV sind eventuelle strukturelle Besonderheiten der betrachteten Netzbetreiber gesondert zu berücksichtigen. Bei einer besonderen Versorgungssituation, die mit vergleichsweise höheren Netzkosten einhergeht, kann ein Aufschlag auf den ermittelten Effizienzwert gewährt werden. Der Netzbetreiber würde ansonsten aufgrund struktureller Besonderheiten seines Versorgungsgebietes benachteiligt. Bedingung für einen Aufschlag ist, dass die besonderen Kosten nicht durch den Netzbetreiber beeinflussbar sind und mindestens 5 % der Netzkosten ausmachen. [8] Der so aufgestockte Effizienzwert wird als „bereinigter Effizienzwert“ bezeichnet.

Ist der Effizienzwert durch dieses Verfahren unternehmensindividuell ermittelt und gegebenenfalls bereinigt [9] , werden die abzubauenden Ineffizienzen nach § 15 ARegV festgestellt.  Diese ergeben sich aus der Differenz zwischen den Gesamtkosten nach Abzug der nicht beeinflussbaren Kostenanteile und den mit dem Effizienzwert multiplizierten Gesamtkosten nach Abzug der nicht beeinflussbaren Kostenanteile:

§ 12 Abs. 4 der ARegV schreibt einen Mindesteffizienzwert von 60 % vor. Die Begründung des Gesetzestextes kommentiert den Mindestwert mit „dies ist ein weiteres Sicherungselement zur Gewährleistung der Robustheit des Effizienzvergleichs sowie der Erreichbarkeit und Übertreffbarkeit der Effizienzvorgaben.“ [10]  

Wenn kein Effizienzwert unter 60 % liegt, ist die Verteilung der Werte dichter und die Homogenität der verglichenen Gruppe höher. Eine Erhöhung der statistischen Robustheit der Methoden ist also gegeben.

In der Realität ist die „Erreichbarkeit“ oder sogar „Übertreffbarkeit“ der Effizienzvorgaben bei einem Effizienzwert von 60 % allerdings eher unwahrscheinlich. Aus der zuvor dargestellten Berechnung ergibt sich bei einem Effizienzwert eine Ineffizienz von 40 %. Es müssen also 40 % der Gesamtkosten abzüglich der nicht beinflussbaren Kosten abgebaut werden. Auch bei der Anwendung des § 16 Abs. 2 ARegV, also einer Anpassung der Effizienzvorgabe unabhängig der eigentlichen Bestimmung nach § 15, ist ein wirtschaftliches Arbeiten eines solchen Netzbetreibers längerfristig nicht zu erwarten. [11]

Vereinfachtes Verfahren

Das vereinfachte Verfahren ist im § 24 Abschnitt 2 ARegV festgelegt. Es umfasst die abweichenden Bestimmungen zur Ermittlung des Effizienzwertes für „kleinere Netzbetreiber“. Solche Netzbetreiber können durch den regulatorischen Aufwand, auch hinsichtlich der Auskunfts- und Dokumentationspflicht, im Vergleich zu größeren Netzbetreibern überproportional belastet werden.

Um diese Sonderregelung beanspruchen zu können, dürfen am Netz des Betreibers nicht mehr als 15.000 Gaskunden, beziehungsweise 30.000 Elektrizitätskunden angeschlossen sein. Diese Einschränkung bezieht sich auf die Zahl der physischen Anschlüsse – also Netzanschlusspunkte. Trifft eine dieser Bedingungen zu, kann der Netzbetreiber die Anwendung des vereinfachten Verfahrens beanspruchen.

Konkret wird hierbei der Effizienzwert in der 1. Regulierungsperiode ohne Effizienzvergleich auf 87,5 % festgelegt. Ab der 2. Regulierungsperiode wird der Effizienzwert als gewichteter Durchschnittswert aller im bundesweiten Effizienzvergleich der letzten Regulierungsperiode ermittelten und bereinigten Effizienzwerte dargestellt. [12] Als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile werden bei dem vereinfachten Verfahren 45 % der gesamten Netzkosten angesetzt.

Die Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 ARegV findet hierbei keine Verwendung (mit Ausnahme der Berücksichtigung des Verbraucherpreisgesamtindex). Die Auskunftspflicht über die Parameter zum Effizienzvergleich nach § 13 Abs. 3 und 4 entfällt ebenfalls. Auch die zu der Bestimmung des Qualitätselements nach §§ 19 und 20 ARegV benötigte Datenlieferung muss nicht vorgenommen werden.

Um das vereinfachte Verfahren zu beanspruchen, muss der Netzbetreiber, bei Einhaltung der Frist nach § 24 Abs. 4 Satz 1 ARegV, bei der Regulierungsbehörde einen Antrag stellen. [13] Der Antrag muss Belege zur Einhaltung der vorgeschriebenen maximalen Netzanschlusszahl beinhalten. Auch wenn die formalen Bedingungen zur Beanspruchung des vereinfachten Verfahrens gegeben sind, muss dies nicht zwingend auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Hierzu eine Beispielrechnung:

Gemäß dem vorstehenden Rechenbeispiel müsste der Netzbetreiber mit einem tatsächlichen Anteil der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten in Höhe von 25 % bei gleicher Höhe des Ausgangsniveaus (10.000.000 €) im Effizienzvergleich für die 2. Regulierungsperiode einen Mindesteffizienzwert von 92,64 % erreichen, um den gleichen Erlöspfad zu erreichen wie im vereinfachten Verfahren.

Würde sich der Anteil der tatsächlich dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten auf „Null“ reduzieren (z.B. bei einer Überkompensierung durch die Auflösung von Baukostenzuschüssen) muss für das obige Beispiel ein Mindesteffizienzwert in Höhe von 94,48 % erreicht werden.

Die Anwendung des vereinfachten Verfahrens der Effizienzwertermittlung muss also nicht immer profitabel sein. Wann das vereinfachte Verfahren beantragt werden sollte, muss individuell festgestellt werden. Ausschlaggebend sind hierbei die Höhe der beeinflussbaren Kostenanteile und der Effizienzwert des Unternehmens. Erstere werden wiederum durch den Erweiterungsfaktor, den Verbraucherpreisgesamtindex, den Produktivitätsfaktor und das Qualitätselement beeinflusst. Der Einfluss der einzelnen Faktoren sollte immer vor der Entscheidung für oder gegen das vereinfachte Verfahren geprüft werden. Der Effizienzwert kann nur geschätzt werden, solange noch keine Berechnung durch die Regulierungsbehörde vorliegt.

Regulierungsformel

Ausgehend von den Ergebnissen der Kostenprüfung wird die zulässige Erlösobergrenze mit Hilfe der sogenannten Regulierungsformel für jedes Jahr einer Regulierungsperiode berechnet. Die Regulierungsformel ist in Anlage 1 der ARegV festgelegt und stellt sich dar als:

Dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten

Als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten gelten die Kosten oder Erlöse, die ein Netzbetreiber selber nicht beeinflussen kann. Diese sind im § 11 Abs. 2 ARegV wie folgt aufgeführt.

Als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile gelten Kosten oder Erlöse aus:

1. gesetzlichen Abnahme- und Vergütungspflichten,

2. Konzessionsabgaben,

3. ...

  1. [1]
    „Um zu gewährleisten, dass sich die Entgelte für den Netzzugang an den Kosten einer Betriebsführung nach Absatz 2 orientieren, kann die Regulierungsbehörde in regelmäßigen zeitlichen Abständen einen Vergleich der Entgelte für den Netzzugang, der Erlöse oder der Kosten der Betreiber von Energieversorgungsnetzen durchführen“ § 21 Abs. 3 EnWG.
  2. [2]
    Teil 3 §§ 22 bis 26 StromNEV und GasNEV; Teil 3 der GasNEV wird darüber hinaus in Abschnitt 1 „Vergleichsverfahren bei kostenorientierter Ermittlung der Netzentgelte“ und Abschnitt 2 „Vergleichsverfahren bei der Ermittlung der Netzentgelte gemäß § 20“ differenziert.
  3. [3]
    Auch „Clusterung“ beschreibt ein statistisches Verfahren zur Erfassung und Gruppierung von Objekten mit möglichst hoher Ähnlichkeit zueinander, innerhalb eines Clusters.
  4. [4]
    Die 1. Regulierungsperiode für Gasnetze wurde abweichend hiervon auf eine Dauer von 4 Jahren festgelegt. Somit fallen die Kostenprüfungen für Strom- und Gasnetze nicht in dasselbe Jahr.
  5. [5]
    Näheres zum Produktivitätsfaktor in Kapitel 7.7.
  6. [6]
    Für kleine Netzbetreiber besteht für die Bestimmung des Effizienzwertes ein vereinfachtes Verfahren, es wird kein individueller Effizienzwert bestimmt, näheres zum Effizienzwert in Kapitel 7.3.
  7. [7]
    § 11 ARegV Abs. 3 Satz 1.
  8. [8]
    Siehe auch Kapitel 7.10.3 Besonderheiten der Versorgungsaufgabe.
  9. [9]
    Neben der aufgeführten Berücksichtigung strukturell bedingter Mehrkosten sieht § 22 ARegV auch Sonderregelungen für Übertragungs- und Fernleitungsnetze vor.
  10. [10]
    Drucksache des Bundesrates 417/07 vom 15.06.2007 S. 55 Abs. 4.
  11. [11]
    Für weitere Informationen rund um den energiewirtschaftlichen Effizienzvergleich empfehlen wir die Ausarbeitung von Swiss Economics und der SUMICSID-Gruppe: „Effizienzvergleich für Verteilernetzbetreiber Strom 2013 – Ergebnisdokumentation und Schlussbericht“. Eine digitale Version des Berichts ist auf der Internetseite der BNetzA im „SharedDocs“-Bereich hinterlegt.
  12. [12]
    Abschnitt 2 § 24 Abs. 2 Satz 1 und 2 ARegV, gewichteter Durchschnittswert stand 05.03.2014 89,97 % für Gas- und 96,14 % für Stromnetzbetreiber.
  13. [13]
    „Netzbetreiber, die an dem vereinfachten Verfahren teilnehmen wollen, haben dies bei der Regulierungsbehörde jeweils bis zum 30. Juni des vorletzten der Regulierungsperiode vorangehenden Kalenderjahres zu beantragen;“ § 24 Abs. 4 Satz 1.

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