Mit dem Steuersenkungsgesetz (StSenkG) vom 23.10.2000 [5] wurde das frühere Anrechnungsverfahren zu Gunsten des sog. Halbeinkünfteverfahrens aufgegeben. Seitdem kommt es prinzipiell zu einer doppelten Besteuerung der Gewinne von Körperschaften, nämlich
- zunächst auf Ebene der Körperschaft zum geltenden Steuersatz von 15% (§ 23 KStG), zuzüglich 5,5% Solidaritätszuschlag (§ 4 SolZG) und
- sodann auf Ebene des Anteilseigners.
Allerdings wird die doppelte Belastung (weitgehend) eliminiert, indem bei natürlichen Personen, die dem Einkommensteuergesetz unterliegen, bloß 50% bzw. seit dem 1.1.2009 [6] nunmehr 60% der Kapitalerträge in das steuerpflichtige Einkommen einfließen (§ 3 Nr. 40 EStG). Im Gegenzug dürfen aber auch Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit diesen anteilig besteuerten Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60% abgezogen werden (§ 3c Abs. 2 EStG).
Bei Körperschaften als Anteilseignern, die vom Körperschaftsteuergesetz erfasst sind, werden Beteiligungserträge (Dividenden) sowie Veräußerungsgewinne aus Kapitalbeteiligungen – zur Vermeidung einer Doppelbelastung – gemäß § 8b KStG grundsätzlich und vorbehaltlich des § 8b Abs. 4 KStG von der Besteuerung mit Körperschaftsteuer freigestellt. Lediglich 5% der Einnahmen gelten unwiderlegbar als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KStG). Die Beschränkung des § 3c Abs. 1 EStG, dass Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden dürfen, gilt ausdrücklich nicht (§ 8b Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 KStG).
„§ 8b [KStG] Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen
(1) 1Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes bleiben bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz. 2Satz 1 gilt nur, soweit die Bezüge das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben. … 4Satz 2 gilt nicht, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Steuerpflichtigen nahe stehenden Person erhöht hat und § 32a des Körperschaftsteuergesetzes auf die Veranlagung dieser nahe stehenden Person keine Anwendung findet. …
(2) 1Bei der Ermittlung des Einkommens bleiben Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes gehören, oder an einer Organgesellschaft im Sinne des § 14 oder § 17 außer Ansatz. 2Veräußerungsgewinn im Sinne des Satzes 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert übersteigt, der sich nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (Buchwert). 3Satz 1 gilt entsprechend für Gewinne aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Nennkapitals oder aus dem Ansatz des in § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes bezeichneten Werts. 4Die Sätze 1 und 3 gelten nicht, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben und die Gewinnminderung nicht durch den Ansatz eines höheren Werts ausgeglichen worden ist. 5Satz 4 gilt außer für Gewinne aus dem Ansatz mit dem Wert, der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes ergibt, auch für steuerwirksam vorgenommene Abzüge nach § 6b des Einkommensteuergesetzes und ähnliche Abzüge. 6Veräußerung im vorstehenden Sinne ist auch die verdeckte Einlage.
(3) 1Von dem jeweiligen Gewinn im Sinne des Absatzes 2 Satz 1, 3 und 6 gelten 5 Prozent als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. 2§ 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ist nicht anzuwenden. 3Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in Absatz 2 genannten Anteil entstehen, sind bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen. …
(4) 1Bezüge im Sinne des Absatzes 1 sind abweichend von Absatz 1 Satz 1 bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals betragen hat; ist ein Grund- oder Stammkapital nicht vorhanden, ist die Beteiligung an dem Vermögen, bei Genossenschaften die Beteiligung an der Summe der Geschäftsguthaben, maßgebend. … 4Beteiligungen über eine Mitunternehmerschaft sind dem Mitunternehmer anteilig zuzurechnen; § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes gilt sinngemäß. 5Eine dem Mitunternehmer nach Satz 4 zugerechnete Beteiligung gilt für die Anwendung dieses Absatzes als unmittelbare Beteiligung. 6Für Zwecke dieses Absatzes gilt der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 Prozent als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt. 7Absatz 5 ist auf Bezüge im Sinne des Satzes 1 nicht anzuwenden. …
(5) 1Von den Bezügen im Sinne des Absatzes 1, die bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, gelten 5 Prozent als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. 2§ 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ist nicht anzuwenden.
(6) 1Die Absätze 1 bis 5 gelten auch für die dort genannten Bezüge, Gewinne und Gewinnminderungen, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen des Gewinnanteils aus einer Mitunternehmerschaft zugerechnet werden, sowie für Gewinne und Verluste, soweit sie bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils auf Anteile im Sinne des Absatzes 2 entfallen. 2Die Absätze 1 bis 5 gelten für Bezüge und Gewinne, die einem Betrieb gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts über andere juristische Personen des öffentlichen Rechts zufließen, über die sie mittelbar an der leistenden Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse beteiligt ist und bei denen die Leistungen nicht im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erfasst werden, und damit in Zusammenhang stehende Gewinnminderungen entsprechend. ...
Hinweis: Von der Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG sind nicht nur Beteiligungserträge aus Kapitalgesellschaften, sondern auch die Leistungen eines BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a EStG erfasst, die von der jPdöR in einem (anderen) steuerpflichtigen BgA vereinnahmt werden. [7]
Der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn und verdeckte Gewinnausschüttungen eines BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ist nicht durch § 8b KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Derartige fingierte Leistungen werden unmittelbar im vermögensverwaltenden (hoheitlichen) und somit steuerfreien Bereich der jPdöR vereinnahmt.
Exkurs zur Steuerpflicht von Streubesitzdividenden: [8]
Mit dem „Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09“ vom 21.3.2013 [9] sind nach der Neufassung des § 8b Abs. 4 KStG Streubesitzdividenden, d.s. Anteile von weniger als 10%, die von Körperschaften nach dem 28.2.2013 bezogen werden (§ 34 Abs. 7a Satz 2 KStG), nicht mehr von der Körperschaftsteuer freigestellt.
Beträgt die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10% des Grund- oder Stammkapitals, müssen die Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG (insbesondere Gewinnanteile aus Aktien oder GmbH sowie Leistungen eines BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit) bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt werden. Beträgt die Beteiligung am 1.1. eines Jahres mindestens 10%, bleiben die Bezüge beim Anteilseigner steuerfrei (§ 8b Abs. 1 KStG). Das bedeutet, dass nun zwischen Dividenden aus Schachtelbeteiligungen bzw. aus Streubesitzanteilen zu unterscheiden ist:
Ausschüttende Kapitalgesellschaft |
Einbehaltung von Kapitalertragsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag) |
Empfangender BgA |
Beteiligung < 10% | Beteiligung ≥ 10% |
Streubesitzdividende | Schachteldividende |
| |
Steuerpflicht | Steuerfreistellung (zu 95%) |
§ 8b Abs. 4 KStG | § 8b Abs. 1, 5 KStG |
Anrechnung einbehaltener Kapitalertragsteuer im Rahmen der Körperschaftsteuer-Veranlagung (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) |
Nachfolgende Tabelle verdeutlicht, wie sich der neue § 8b Abs. 4 KStG auf die Steuerlast von jPdöR auswirkt, wenn die erhaltenen Gewinnausschüttungen eines BgA weiter an die Gemeinde für hoheitliche Zwecke abgeführt werden. Im Beispielsfall schüttet eine Kapitalgesellschaft ihren Jahresgewinn von 100.000 € an den BgA aus. Steuerfreibeträge, Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Beteiligung, die Gewerbesteuer sowie der Solidaritätszuschlag bleiben aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt. Desweiteren wird vorausgesetzt, dass der Betrieb seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt oder die Umsatz- bzw. Gewinngrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG (350.000 € bzw. 30.000 €) überschreitet.
| Ausschüttung an BgA |
| Beteiligung | Beteiligung |
< 10% | ≥ 10% |
Ausschüttung | 100.000 | 100.000 |
Kapitalertragsteuer (auf Ausschüttung an BgA) |
§ 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG: 25% | -25.000 | -25.000 |
Körperschaftsteuer beim BgA |
Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG | | 25.000 |
§ 8b Abs. 5 KStG | | -1.250 |
Anrechnung auf Steuerschuld des BgA laut § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 KStG: (25% - 15%) | 10.000 | |
Zwischensumme | 85.000 | 98.750 |
Kapitalertragsteuer (auf Leistungen des BgA an Hoheitsbereich) |
§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a oder b, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7b und 7c EStG: 15% | -12.750 | -14.813 |
Ausschüttung an Gemeinde | 72.250 | 83.937 |
Gesamte Steuerbelastung | 27.750 | 16.063 |
Der Steuerbelastungsvergleich macht deutlich, dass die jetzige Besteuerung von Streubesitzdividenden zu einer bedeutend höheren Gesamtsteuerbelastung aus Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer führt [10] .
Ungeachtet des § 8b KStG (und des § 3 Nr. 40 EStG) ist bei Gewinnausschüttungen (Dividenden) von Kapitalgesellschaften die nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 fällige Kapitalertragsteuer abzuziehen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 EStG).
Der Steuerabzug setzt keineswegs voraus, dass es sich bei den Gewinnausschüttungen um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt. Stattdessen muss die Kapitalertragsteuer gemäß § 43 Abs. 4 EStG ebenfalls einbehalten werden, falls die Beteiligungserträge beim Empfänger zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb gehören.